Osterwicker Kiepenkerl
Die Hörgeschichten und Videos zum Kiepenkerl sind sowohl in hochdeutscher, als auch in niederdeutscher Sprache verfügbar:
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Schon seit vielen Jahren steht die Statue eines Kiepenkerls hier in Osterwick. Weil der alte Kiepenkerl im Jahr 2021 gestohlen wurde, beauftragte der Heimatverein Osterwick eine exakte Kopie.
Für die Produktion der neuen Bronzestatue waren einige Arbeitsschritte nötig. Hergestellt wurde die Bronze in der traditionsreichen Glocken- und Kunstguss-Manufaktur Petit & Gebr. Edelbrock in Gescher. Um zunächst einen Abdruck der alten Statue herzustellen, wird diese in einen speziellen Formsand gelegt und mit Silikonkautschuk und Gips bestrichen. Dieses Prozedere wird für die Rückseite der Figur wiederholt.
Sobald die Gipsschale ausgehärtet ist, wird die eigentliche Form für den Bronzeguss aus Wachs gefertigt. In Handarbeit wird das Wachs aufgepinselt, Jutestoff und Streben sorgen für eine bessere Stabilität. Anschließend werden die Hälften zusammengesetzt und kühlen so aus. Vor dem Gießen werden das Silikon und der Gips wieder entfernt und das Wachsmodell erhält seinen letzten Schliff.
Jetzt steigen die Temperaturen in der Gießerei: Denn erst bei knapp über 1000 Grad kann Bronze gegossen werden. Die Form ist im Boden eingelassen, durch die Löcher wird die glühende Bronze in die Form gefüllt. Sobald die Bronze fest ist, wird die Figur freigelegt und gereinigt. In der Nachbearbeitung erhält die Bronze ihre typische Optik: Es wird geschmirgelt, geflämmt und patiniert. Zum Abschluss wird die Statue mit einer Schicht aus Bienenwachs versiegelt und mit einem Baumwolltuch abgerieben.
Mit der Power eines Traktors wurde die Statue hier an der Hauptstraße in Osterwick auf den neuen Sandsteinsockel gesetzt und fixiert – ein wahres Schmuckstück für Osterwick, das dem Kiepenkerl ein Denkmal für die Ewigkeit setzt.
Einen Korb auf dem Rücken, eine Kappe auf dem Kopf und ein rotes Tuch um den Hals – wer im 19. und 20. Jahrhundert im Münsterland einen Mann mit diesen Gegenständen traf, hatte es mit einem Kiepenkerl zu tun. Die Kiepenkerle waren wandernde Kaufleute, die von Ort zu Ort zogen, um verschiedene Waren zu verkaufen oder anzukaufen.
Ihren Namen verdanken die Kiepenkerle dem großen Korb, den sie auf ihrem Rücken trugen. Er wurde als Kiepe bezeichnet und aus Holz oder geflochtenen Weideruten gefertigt. Zusätzlich zur Kappe und dem roten Halstuch trugen die reisenden Kaufleute Holzschuhe, einen Wanderstock und einen blauen Kittel. Bis heute werden sie in dieser charakteristischen Kleidung dargestellt.
Die Kiepenkerle trieben Handel mit Haushaltswaren aller Art. Sie zogen von Haus zu Haus, um ihre Produkte dort anzubieten. Sicher kein leichter Job: Denn die Kiepenkerle legten mit dem schweren Rückenkorb weite Strecken zurück. Den Beruf des Kiepenkerls übten in der Regel Männer aus, die besonders groß und stark waren. Als Gegenleistung für seine Produkte verlangte der reisende Handelsmann Geld oder tauschte die Waren gegen landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Eier. Die konnte er gut in seiner Kiepe transportieren und woanders zu Geld machen.
Im Laufe der Zeit wurden die Kiepenkerle immer organisierter: Sie vereinbarten, in welchen Gebieten und an welchen Tagen sie Handel treiben durften, um sich untereinander keine Konkurrenz zu machen. Zusätzlich benötigte jeder Kiepenkerl einen Wandergewerbeschein, um den An- und Verkauf von Waren abwickeln zu dürfen.
Neben ihrer Tätigkeit als Händler hatten die Kiepenkerle eine weitere wichtige Aufgabe: Auf ihren Reisen kamen sie viel rum und hörten allerlei Geschichten. Im nächsten Ort konnten sie die Neuigkeiten, die sie andernorts erfahren hatten, weitererzählen. Das wussten einige Bewohner für sich zu nutzen und gaben den Kiepenkerlen Botschaften mit auf den Weg oder sie ließen Hochzeiten vermitteln.
Die Zeit der Kiepenkerle fand in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihr Ende: Einige von ihnen wurden sesshaft und eröffneten Ladengeschäfte oder erledigten ihre Handelsreisen mit dem Auto. Auch wenn der Berufsstand des Kiepenkerls seit knapp 100 Jahren ausgestorben ist, spielt der reisende Händler als historische Figur im Münsterland noch eine große Rolle: Ob Statue, Verein, Radiosender oder Souvenirs, das Andenken an die Kiepenkerle ist in der Region noch immer lebendig!